125 Jahre Musikverein: Bunter Abend mit Fleeschter Pättern, Viertaktern, Alphorndudlern und Niddageistern – Hessen lacht zur Fassenacht-Legende Karl Oertl moderiert.
Reichelsheim – Dorn-Assenheim (hh.) „Das war Spitze“, war sich das Publikum nach dreieinhalb Stunden Musik, Gesang, Tanz und einer gehörigen Portion Zwerchfellmassage einig. Unter dem Motto Freude, Spaß und Harmonie spurtete der Musikverein mit einer fröhlich-bunten Show kurzweilig in das Festwochende zum 125. Geburtstag. „Bunte Abende sind meist etwas spröde“, bekannte Harmonie Vorsitzender Helmut Weitz, „deshalb haben wir uns nach den Stars der Region umgesehen.“ Und diese begeisterten in den unterschiedlichsten Formationen. So oder so, auf alle Fälle stimmte der Mix, die Stimmung war großartig. Über allem schwebte Moderator Karl Oertl, der mit Witz und jeder Menge Vogelsberger Lokalkolorit einmal mehr zur Höchstform auflief.
„Die sind melodisch bestens geeicht“, kündigte Oertl die Viertakter an. Unterhaltsam und charmant präsentierte das Quartett Acapella-Musik zum Anfassen. Lieder wie der rauchig-schaurige Kriminal Tango oder Elvis Presleys All shook up zeugten nicht nur von prächtigen Stimmen, auch eine abwechslungsreiche Choreographie und humorvolle Mimik sind Markenzeichen der Gruppe. So veräppelten sie sich als kleinsten Männerchor der Welt („Ab und zu mal modern sein und mit den Hüften wackeln“) und los ging’s mit I was made for loving you. Auf Marlene Dietrichs Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt („Auf die langen Beine haben wir heute verzichtet“) folgte gesteppter Alpen-Pop („Steppschuhe, das sind Hufeisen für Ziegen“). Selbst phantasievoller Hip Hop war zuhören, dazu garniert mit improvisierten Instrumenten, mal als Kontrabass, mal als Luftgitarre. Viel zu lachen gab es, als die Cowboys Burning Ring of Fire singen. Klar, auch ein (Stoff)-Pferd durfte da nicht fehlen. Und von Nashville in Die Dolomiten waren es nur wenige Takte, um ein seichtes La Pastrorella mit ein paar Rex Gildo Takten aufpeppen. „Hossa Ole“, das Publikum quittierte den Auftritt der Vokalakrobaten mit begeistertem Beifall.
In ihrer Paraderolle am Stammtisch sorgen nun die Fleeschter Pätter für Stimmung. Ob an der Babbelwaage kurz vor der Busfahrt nach „Schlockenbach“, beim Arzt, im Ehebett beim ausgefallenen Sex oder als sächselnder Engel: Gespickt mit absurden Wortgefechten („Manchmal muss man sich wagen, zu wiegen“) outeten sich die beiden Vollblut-Comedians Rainer Hartmann und Manfred Scholz als Meister des Klamauks. Beim Plausch aus dem Nähkästchen bekam auch die kommunale Nachbarschaft ihr Fett ab: Die Transplantation eines Florstädter Ohres endete für einen Reichelsheimer tödlich: „Er verschied, das Ohr hat den Körper wieder abgestoßen“, lästerten die Pätter.
Mit viel Leidenschaft, einer Prise Akrobatik und mitreißenden Kostümen zauberte nun die Showtanzgruppe der Niddageister die Schönheit der Serengeti auf die Bühne. Untermalt von pulsierenden Rhythmen des schwarzen Kontinents schlichen die sechzehn Tänzerinnen als wilde Hyänen umher. Eine außergewöhnliche Choreographie, deren perfekte Umsetzung den Auftritt in der Steppe zu einem viel beklatschten Erlebnis machte.
„Blech macht Spaß“ bekannten Andreas Schmidt. Michael Dönges, Sascha Mistetzky, Andreas Weinelt, Jan Kausek und Dietmar Mittig. Die erstmals in dieser Formation aufgetreten Gruppe ließ bei stimmungsvollen Gassenhauern die traditionelle Blasmusik wieder aufleben. Eine ganz andere Stilrichtung bevorzugen Martin Dönges und seine Alphorndudler. Als Septett entführten sie das Publikum in die alpenländische Bergwelt. Die mit Naturtönen gespielten Stücke gingen ins Ohr. Begeisternd das Echo, als die erste Stimme mit ihren Ausflügen in hohe Oktavregionen auf routiniert vorgetragene Bassstimmen traf. „Schließlich sind Alphornklänge in“, plauderte Dönges über die einstigen „Handys der Hirten“.
Wie treibe ich unseren Dirigenten zum Wahnsinn? dachten sich die Musiker der Harmonie und standen den Comedy-Profis in Punkto Slapstick in nichts nach. So blieb von Radetzky-Marsch nicht viel übrig. Denn ob im Dirndl, als Brautpaar oder in Faschings-Maskerade: Es kam so ziemlich alles zu Gehör, nur eben nicht das dirigierte Stück. Sei‘s drum, Andreas Schmidt überstand dias inszenierte Chaos. Bei einem Medley der Les Humphries Singers bewiesen die Musiker im Sound der 70er schließlich, dass sie bei ihrem Dirigenten bestens aufgehoben sind.
Ein furioses Finale beendete einen gelungen Abend, der einmal mehr zeigte, wie Erfolg versprechend Unterhaltung mit Künstlern aus der Region sein kann. Was soll man dazu sagen, fragte ein Gast. Die Antwort: Nichts – einfach klatschen.
(Text: Holger Hachenburger)